Panikattacken: Wenn Angst sich selbst verstärkt

 

 

Panikattacken gehören zu den häufigsten psychischen Problemen überhaupt. Rund 10–20 % aller Menschen in Deutschland erleben im Laufe ihres Lebens mindestens eine Attacke. Etwa 5 % von ihnen entwickeln eine Panikstörung, also wiederholte, unerwartete Angstanfälle, die oft mit sehr starker Einschränkung im Alltag verbunden sind. 

Die Attacken treten plötzlich und ohne erkennbaren Grund auf, erreichen innerhalb weniger Minuten ihren Höhepunkt und sind von intensiven körperlichen Symptomen wie Herzrasen, Atemnot oder Schwindel begleitet. 

 

Fast alle Betroffene fürchten in solchen Momenten, die Kontrolle zu verlieren oder gar zu sterben – obwohl Panikattacken medizinisch nicht lebensbedrohlich sind. Sie stellen jedoch eine erhebliche psychische Belastung dar und können, wenn sie unbehandelt bleiben, zu schlimmen Folgeproblemen führen.

 

Aber noch einmal kurz zur Klärung, was versteht man genau unter einer Panikattacke ?... oder besser gesagt einem Panikanfall wie Psychologen diesen Zustand nennen;

 

Eine Panikattacke oder Panikanfall ist ein plötzlicher, intensiver Angstanfall, der von heftigen meist körperlichen Symptomen begleitet wird. Die Attacken sind unvorhersehbar und erreichen meist innerhalb von Minuten ihren Höhepunkt. Sie wirken auf Betroffene immer extrem bedrohlich („als ginge es um Leben und Tod“). Trotz der Schwere der Symptome liegt in der Regel keine körperliche Erkrankung zugrunde. Bei Eintreffen von Hilfe, Vermeidung oder Verlassen der Situation tritt i.d.R. eine Besserung der Situation ein.

 

Viele Menschen mit diesem Problem verstehen sich selbst nicht mehr, verzweifeln und fürchten die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren. Es fällt ihnen schwer zu verstehen, wie so ein derart „heftiger“ Zustand psychisch begründet sein soll.

 

Dieser Beitrag soll eine kleine Einführung über das Entstehen von Panikanfällen geben. Wichtig; die nachfolgenden Zeilen ersetzen KEIN Gespräch mit einem Psychologen! Sollten Sie bereits seit längerem an zunehmenden Panikanfällen leiden, rufen Sie bitte in der Praxis an.

 

 

Wie entstehen Panikattacken? — Der Kreislauf der Angst

 

Die Entstehung von Panikattacken lässt sich am besten mit dem sogn. „psycho-physiologischen Verstärkungsmodell“ erklären, auch bekannt als „Teufelskreis der Angst“. 

 

Das Teufelskreismodell ist eine der zentralen Erklärungen in der verhaltenstherapeutischen Behandlung von Panikstörungen. Es beschreibt, wie sich körperliche Reaktionen aufgrund der Ausschüttung von Stresshormonen im Zusammenspiel mit Gedanken und Gefühlen gegenseitig in Windeseile beeinflussen und aufschaukeln. Es handelt sich hierbei also um einen wechselseitigen Verstärkungsprozess zwischen psychischen Prozessen (Gedanken, Gefühlen) und physiologischen Körperreaktionen (z.B. Schwitzen, Herzschlag). 

 

Wichtig ist zu wissen, dass dieser dynamische Wechselprozess automatisiert und sehr schnell abläuft. 

 

Betroffene sehen sich meist nicht im Stande zu differenzieren, was zuerst da ist, der Gedanke, die körperlichen Veränderungen oder das Gefühl massiver Bedrohung. Für Betroffene ist alles auf einmal spürbar. 

 

Das Fehlen realistischer Rückmeldungen in der akuten Situation führt dazu, dass Betroffene im „Angstkreis“ gefangen bleiben — bis entweder eine bewusste Unterbrechung (z.B. Verlassen der Situation) oder eine natürliche Erschöpfung der Reaktionssysteme eintritt.

 

 

 

Ablauf des Modells im Detail:

 

Ein harmloser zumeist körperlicher Reiz (z.B. harmloser kurzanhaltender Schwindel oder beschleunigter Puls) werden nicht als das was sie sind (harmlos) wahrgenommen sondern als bedrohlich erlebt und gedanklich als „Katastrophe“ (fehl)interpretiert

 

Diese Interpretation löst (logischerweise) ein Angstgefühl aus - was wiederum eine verstärkte Stresshormonausschüttung (v.a. Adrenalin) zur Folge hat. 

 

Dies führt dazu, dass sämtliche nachfolgenden körperlichen Reaktionen verstärkt werden (z.B. stärkerer Herzschlag aufgrund des ausgeschütteten Adrenalins).

 

Diese verstärkten Körpersensationen werden erneut gedanklich als Bedrohung wahrgenommen (dienen quasi als Beweis, dass nun wirklich Gefahr im Verzug ist), was wiederum erneut Angst sowie Stresshormone auslöst… und (Sie ahnen es) erneut massive körperliche Reaktionen hervorruft… was dann wieder als Beweis… und so weiter…

 

— ein sich selbst antreibender Kreislauf beginnt, der immer mehr Fahrt aufnimmt (ähnlich dem Bild eines Tornados) und sich letztlich dermaßen aufschaukelt bis nur noch Bedrohung, Kontrollverlust und Panik erlebt wird.

 

 

Psychotherapie

 

In der Therapie geht es zunächst um eine genaue Diagnostik Ihrer Symptome. So ist es z.B. wichtig zu klären, ob Ihre Symptome Ausdruck einer Panikstörung sind, oder Teil eines anderen psychischen Geschehens.

Dieser Punkt ist essentiell, da auch andere psychische Störungen mit Panikanfällen einhergehen können, die Therapie sich jedoch maßgeblich am zugrunde liegendem Störungsbild ausrichtet. 

Sollte es sich klar um eine Panikstörung handeln, gilt die Kognitive Verhaltenstherapie (durchgeführt von einem approbierten Psychotherapeuten) als Goldstandard. Sie ist hochwirksam, wissenschaftlich gut untersucht und führt bei etwa 80 % der Patient:innen zu einer deutlichen Symptomverbesserung.

In den ersten therapeutischen Schritten geht es meist um Aufklärung über das Wesen von Panikanfällen (z.B.„Fehlalarm“ des Gehirns). D.h. der Therapeut unternimmt mit Ihnen gemeinsam eine Art "Differenzierungslernen", bei dem ihre körperlichen Symptome (z.B. Herzrasen, Atemnot) als ungefährliche Stressreaktion neu "interpretiert" werden. Wichtig ist hierbei das Vorliegen eines Konsiliarberichtes, bei dem mögliche körperliche Grunderkrankungen (die ebenfalls die Symptome erklären könnten) ausgeschlossen sind.

Ziel ist hier das Erkennen und Hinterfragen von katastrophisierenden Gedanken („Ich bekomme gleich keine Luft“) sowie das Einüben alternativer, realistischerer Bewertungen („Das ist ein harmloser Panikanfall... der geht vorbei“).  

Durch diese Technik kann es gelingen, dem Teufelskreis aus Körpersymptom - Katastrophengedanken und Verstärkung der Angst zu durchbrechen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Abbau von Vermeidungs- oder Sicherheitsverhalten. Hierzu kann z.B. ein gezieltes Aufsuchen gefürchteter Orte (z. B. öffentliche Plätze, Fahrstühle) oder auch das Reduzieren von Sicherheitsverhalten wie z. B. ständiges Wasser mitnehmen, Fluchtwege checken, sich nur in Begleitung von vertrauten Personen bewegen, sehr wichtig sein. (Die einzelnen Interventionen werden hierbei genaustens mit dem Therapeuten vor- und nach besprochen!)

In einer Psychotherapie stehen noch viele weitere wichtige Punkte auf dem Plan, z.B. das Klären von Entstehungsbedingungen („warum habe ich eine Panikstörung entwickelt“), das Aufdecken von belastenden Faktoren („was setzt mich im Alltag unter Stress“), welche wichtigen biographischen Bedingungen liegen vor oder welche zwischenmenschlichen Aspekte steuern mein Verhalten (sowie vieles mehr…). Häufig stellen sich diese genannten Aspekte als sehr gewinnbringend heraus und erhöhen massiv die Selbstreflexion und Resilienz. 

 

Aber erst einmal bis hierhin... Ich hoffe ich konnte Ihnen einen kleinen ersten Einblick über das Thema Panikstörung ermöglichen. Sie haben Anregungen oder Fragen? Wir freuen uns über Ihre Nachricht. 

 

Dieser Blog wurde geschrieben von Alexander Friese, M.Sc., Psychologischer Pychotherapeut, Approbation Verhaltenstherapie